Multiple Sklerose

Wir gehören zu den wenigen Zentren, welche Erfahrungen in der Behandlung von MS mit rTMS haben. Es zeigt sich ein viel zu wenig erforschtes Wirkungspotential.

Die Multiple Sklerose (MS), auch als Encephalomyelitis disseminata (ED) bezeichnet, ist eine chronisch-entzündliche Entmarkungserkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), deren Ursache trotz großer Forschungsanstrengungen noch nicht geklärt ist. Sie ist neben der Epilepsie eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen im jungen Erwachsenenalter. Bei der Multiplen Sklerose treten in der weißen Substanz von Gehirn und Rückenmark verstreut vielfache (multiple) entzündliche Entmarkungsherde auf, die vermutlich durch den Angriff körpereigener Abwehrzellen auf die Myelinscheiden der Nervenzellfortsätze verursacht werden. Da die Entmarkungsherde im gesamten ZNS auftreten können, kann die Multiple Sklerose fast jedes neurologische Symptom verursachen. Sehstörungen mit Minderung der Sehschärfe und Störungen der Augenbewegung (internukleäre Ophthalmoplegie) sind relativ typisch, aber nicht spezifisch für die Multiple Sklerose.
Wir gehören zu den wenigen Zentren, welche Erfahrungen in der Behandlung von Multipler Sklerose mit rTMS haben. Insbesondere Gangstörungen liessen sich teilweise verbessern. Es zeigt sich ein Wirkungspotential, welches weitere Forschungen unbedingt rechtfertigt.

Wie wird Multiple Sklerose mit rTMS (repetitiver transkranieller Magnetstimulation) behandelt?

Die Behandlung von Multipler Sklerose (MS) mit repetitiver transkranieller Magnetstimulation (rTMS) ist ein innovativer Ansatz, der darauf abzielt, sowohl die motorischen als auch die nicht-motorischen Symptome der Krankheit zu verbessern. Multiple Sklerose ist eine chronische, entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die zu einer Schädigung der Myelinscheiden und damit zu verschiedenen neurologischen Beeinträchtigungen führt. Dazu gehören motorische Dysfunktionen, Fatigue, Spastizität, sensorische Beeinträchtigungen sowie kognitive und emotionale Schwierigkeiten.

1. Ziel der rTMS-Behandlung bei Multipler Sklerose

Die rTMS-Therapie zielt darauf ab, die Symptome von MS zu lindern, indem die neuronale Aktivität in bestimmten Hirnregionen moduliert wird. Die wichtigsten Ziele der rTMS-Behandlung bei MS umfassen:

  • Verbesserung der motorischen Funktionen: rTMS wird verwendet, um die Aktivität im motorischen Kortex zu steigern, um die Muskelkraft, Bewegungskoordination und die Spastizität zu verbessern.
  • Reduktion der Fatigue: Fatigue ist eines der am häufigsten berichteten und am schwersten zu behandelnden Symptome bei MS. Die Behandlung zielt darauf ab, die neuronale Aktivität zu modulieren, die mit der Ermüdung verbunden ist.
  • Reduktion der Spastizität: Durch die gezielte Stimulation des motorischen Kortex soll die Muskelspastizität verringert werden, was die Mobilität und Lebensqualität verbessern kann.
  • Linderung der neuropathischen Schmerzen: rTMS wird auch zur Behandlung von Schmerzen eingesetzt, die durch MS bedingt sind, indem es die Schmerzwahrnehmung und -verarbeitung beeinflusst.
  • Verbesserung der kognitiven Funktionen und emotionalen Regulation: Viele MS-Patienten leiden unter kognitiven Defiziten und Depressionen, die durch Stimulation bestimmter Hirnregionen positiv beeinflusst werden können.

2. Zielregionen der Stimulation

Für die Behandlung von MS mit rTMS werden spezifische Gehirnregionen ausgewählt, die mit den jeweiligen Symptomen in Verbindung stehen:

  • Primärer motorischer Kortex (M1): Der motorische Kortex ist die wichtigste Zielregion für die Verbesserung der motorischen Funktionen und die Verringerung der Spastizität. Hochfrequente rTMS (z. B. 10-20 Hz) wird oft angewendet, um die Aktivität zu steigern und so die Bewegungskoordination und Muskelkraft zu fördern.
  • Dorsolateraler präfrontaler Kortex (DLPFC): Der DLPFC wird für die Behandlung der kognitiven Symptome und der Fatigue stimuliert. Eine hochfrequente Stimulation des linken DLPFC kann die Konzentration, das Arbeitsgedächtnis und die emotionale Regulation verbessern.
  • Supplementär-motorischer Kortex (SMA): Der SMA ist eine wichtige Zielregion für die Planung und Koordination von Bewegungen und wird häufig bei Bewegungsstörungen stimuliert.
  • Sensorischer Kortex: Für neuropathische Schmerzen kann auch der sensorische Kortex stimuliert werden, um die Wahrnehmung von Schmerzen zu modulieren und zu verringern.

3. Stimulationsprotokoll

  • Stimulationsfrequenz und Intensität: Die Auswahl der Frequenz hängt von den zu behandelnden Symptomen ab:
    • Hochfrequente Stimulation (10-20 Hz): Wird eingesetzt, um die Aktivität in Bereichen wie dem motorischen Kortex und dem DLPFC zu erhöhen, was die motorischen Funktionen, die kognitiven Fähigkeiten und die Stimmung verbessert.
    • Niedrigfrequente Stimulation (1 Hz): Kann angewendet werden, um die Spastizität zu verringern, indem die Hyperaktivität in den motorischen Netzwerken gedämpft wird.
  • Anzahl und Dauer der Sitzungen: Eine typische Behandlungsserie umfasst 20 bis 30 Sitzungen, die über einen Zeitraum von 4 bis 6 Wochen durchgeführt werden. Jede Sitzung dauert etwa 20 bis 40 Minuten.
  • Zielgenaue Anwendung: Die spezifische Region wird durch neuronavigierte Methoden oder anhand standardisierter Positionen bestimmt, um die bestmögliche Zielgenauigkeit zu gewährleisten.

4. Wirkungsweise von rTMS bei Multipler Sklerose

Die rTMS-Behandlung wirkt, indem sie die neuronale Aktivität in den betroffenen Hirnregionen moduliert, was folgende Effekte hat:

  • Förderung der Neuroplastizität: rTMS kann die synaptische Plastizität erhöhen, also die Fähigkeit des Gehirns, sich durch Bildung neuer neuronaler Verbindungen zu verändern. Dies ist besonders hilfreich bei MS, um funktionelle Ersatzwege zu fördern und Schäden auszugleichen.
  • Reduktion der Spastizität: Die Spastizität bei MS ist das Ergebnis einer übermäßigen Erregung bestimmter motorischer Netzwerke. Niedrigfrequente rTMS kann diese Erregung dämpfen und so die Spastizität verringern.
  • Verbesserung der motorischen Kontrolle: Hochfrequente rTMS des motorischen Kortex fördert die Aktivierung von motorischen Schaltkreisen und trägt zur besseren Koordination und Muskelsteuerung bei.
  • Modulation der Schmerzwahrnehmung: rTMS des sensorischen Kortex oder DLPFC kann die Schmerzwahrnehmung durch eine verringerte Aktivität in den Schmerzkreisläufen des Gehirns beeinflussen.
  • Verbesserung der Stimmung und kognitiven Funktionen: Die hochfrequente Stimulation des DLPFC hat gezeigt, dass sie depressive Symptome und kognitive Beeinträchtigungen lindern kann, was für MS-Patienten von großer Bedeutung ist, da diese Symptome häufig die Lebensqualität stark beeinträchtigen.

5. Studienlage und Ergebnisse

  • Verbesserung der Spastizität: Studien haben gezeigt, dass rTMS die Muskelspastizität bei MS-Patienten signifikant reduzieren kann. Dies führt zu einer verbesserten Mobilität und einer Reduktion der Schmerzen, die oft mit der Spastizität verbunden sind.
  • Reduktion von Fatigue: Fatigue ist eines der am meisten einschränkenden Symptome von MS, und einige Studien deuten darauf hin, dass rTMS die Fatigue deutlich reduzieren kann. Besonders die Stimulation des DLPFC hat sich als wirksam erwiesen, um die Energielevel zu steigern und die allgemeine Lebensqualität zu verbessern.
  • Verbesserung der motorischen Fähigkeiten: Hochfrequente rTMS des motorischen Kortex hat sich als wirksam erwiesen, um die Muskelkraft, Bewegungskoordination und -geschwindigkeit zu verbessern. Dies kann den Patienten helfen, alltägliche Aktivitäten besser zu bewältigen.
  • Kognitive und emotionale Verbesserungen: Studien zeigen, dass die Stimulation des DLPFC die kognitiven Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Problemlösung verbessern kann. Dies ist besonders wichtig, da kognitive Beeinträchtigungen die Selbstständigkeit von MS-Patienten beeinträchtigen können.

6. Nebenwirkungen und Risiken

rTMS wird bei MS als relativ sichere und gut verträgliche Behandlung angesehen. Die häufigsten Nebenwirkungen sind:

  • Kopfschmerzen und Kopfhautreizungen: Diese sind die häufigsten Nebenwirkungen und meist mild. Sie verschwinden in der Regel nach der Behandlung.
  • Muskelzucken: Während der Stimulation des motorischen Kortex kann es zu leichtem Muskelzucken kommen, was jedoch ungefährlich ist.
  • Krampfanfälle: In sehr seltenen Fällen kann es zu einem Krampfanfall kommen, insbesondere bei Patienten, die ein erhöhtes Risiko für Krampfanfälle haben. Das Risiko ist jedoch sehr gering, wenn die Protokolle ordnungsgemäß eingehalten werden.

7. Kombination mit anderen Therapien

rTMS wird häufig in Kombination mit anderen Behandlungsformen eingesetzt, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen:

  • Medikamentöse Therapie: rTMS wird als Ergänzung zur medikamentösen Behandlung verwendet, insbesondere wenn Medikamente alleine nicht ausreichen, um die Symptome zu kontrollieren.
  • Physiotherapie und Ergotherapie: Die Kombination von rTMS mit Physiotherapie und Ergotherapie kann die motorischen Verbesserungen verstärken, da die gesteigerte Plastizität durch rTMS die Effekte von Bewegungstraining unterstützt.
  • Kognitive Rehabilitation: Für Patienten mit kognitiven Beeinträchtigungen kann rTMS in Kombination mit kognitivem Training besonders hilfreich sein, um die kognitive Leistungsfähigkeit zu verbessern.

Fazit

Die Behandlung von Multipler Sklerose mit rTMS bietet eine vielversprechende Möglichkeit, sowohl die motorischen als auch die nicht-motorischen Symptome der Krankheit zu lindern. Durch die gezielte Stimulation des motorischen Kortex und anderer Hirnregionen kann rTMS die Spastizität verringern, die Beweglichkeit verbessern und Fatigue reduzieren. Auch die kognitiven Fähigkeiten und die Stimmung können durch die Stimulation des DLPFC positiv beeinflusst werden. Obwohl rTMS für MS-Patienten noch als ergänzende Therapie betrachtet wird, sind