Transkranielle Pulsstimulation (TPS)
Die Transkranielle Pulsstimulation (TPS) ist eine seit 2018 in Europa zugelassene Therapieoption zur Behandlung der leichtgradigen und mittelschweren Alzheimer-Demenz. Dabei werden verschiedene Gehirnregionen mit Stosswellen stimuliert, um die kognitiven Fähigkeiten zu verbessern.

Die Behandlung wird an 6 Tagen, verteilt über 2 Wochen durchgeführt. Jede Therapie-Sitzung dauert etwa 40 Minuten. Bei gutem Ansprechen werden als Erhaltungstherapie Sitzungen alle 4 Wochen empfohlen. Auffrischungen mit intensiver Behandlung alle paar Monate oder die Kombination mit anderen Stimulationsverfahren, wie z.B. rTMS, empfehlt sich.
Wie funktioniert die TPS?
Bei den Stosswellen handelt es sich zwar um Schallwellen, im Gegensatz zum Ultraschall mit periodischen Schwingungen stellen die Stosswellen jedoch einzelne Pulse mit hoher Druckamplitude dar. Es ist eine mechanische Stimulation, Art „Reanimation“ der Gehirnzellen.
Für medizinische Anwendungen werden fokussierte Stosswellen benötigt. Diese können auf verschiedene Art und Weise erzeugt werden. Für die TPS mit dem Neurolith® werden sie elektromagnetisch erzeugt. Das Verfahren beruht auf der elektromagnetischen Induktion. Wie bei Lautsprechern werden durch eine spezielle Anordnung von Spulen und Membranen kurze akustische Impulse erzeugt und dann mit Hilfe eines Reflektors fokussiert abgegeben.

Bei der TPS werden alle 200 bis 250 ms (4-5 Hz) Stosswellen (3 ms) Dauer erzeugt, um das Hirngewebe zu stimulieren. Mit dem Neurolith® können die Gehirnregionen bis zu 8 cm tief stimuliert werden. Bei einer applizierten Energie von 0.2 mJ/mm2 wird die Gefahr einer Gewebserwärmung und damit eines Gewebeschadens verhindert. Ein Infrarot-Kamera-System erlaubt das Echtzeit-Tracking der Handstückposition (Transducer), womit durch die Verwendung der persönlichen MRI-Daten automatisch sichtbar wird. Bei dem sehr häufig verwendeten Stimulationsprotokoll werden neben dem Precuneus auch der frontale, temporale und parietale Kortex stimuliert, um alle wichtigen Netzwerke zu behandeln, die mit dem Gedächtnis in Verbindung gebracht werden.

Für die biologische Wirkung spielen mechanosensitive Ionenkanäle eine Schlüsselrolle. Indem sie zu einer Erhöhung der Zellpermeabilität führen, kommt es zu einer Änderung der Konzentration von Neurotransmittern (Erhöhung Serotonin und Dopamin, Verringerung GABA) und neurotrophen Wachstumsfaktoren (Erhöhung VEGF, BDNF und GDNF).

Durch die Stimulation des vaskulären Wachstumsfaktors VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) kommt es zur Bildung von neuen Blutgefässen und damit zu einer Verbesserung der Gehirndurchblutung.
Die Konzentration des Wachstumsfaktors BDNF (Brain-Derived Neurotrophic Factor) wird ebenfalls erhöht durch die Stosswellen. Dieser spielt eine grosse Rolle bei der Entwicklung und Reifung, aber auch bei der Regeneration von Nervenzellen sowie bei der Neuroneogenese (Neubildung von Nervenzellen) und damit der Neuroplastizität im Gehirn.
Seit wann kommt die TPS zum Einsatz?
Unter dem Begriff «Schallstosswellen» werden in der Orthopädie (Behandlung von Tendinopathien) und der Urologie (Behandlung der erektilen Dysfunktion) Schallwellenpulse eingesetzt, die das Gewebe nicht zerstören, sondern stimulieren und die Regeneration fördern. Mit dem Ziel, die Symptome der Alzheimer-Demenz durch eine Stimulation des Hirngewebes zu lindern, wurde in den letzten Jahren die Transkranielle Pulsstimulation (TPS) entwickelt.
Wie sind die Resultate der Behandlung mit der TPS?
Die bis anhin vorliegenden Forschungsresultate sind vielversprechend. Innovation braucht aber immer Zeit, um von allen Medizinern anerkannt zu werden.
In einer Studie konnte gezeigt werden, dass bereits nach 6 Behandlungssitzungen eine Verbesserung der kognitiven Funktionen möglich ist, die während 3 Monaten stabil blieb. In einer weiteren Arbeit konnte zudem ein antidepressiver Effekt der TPS bei Patientinnen und Patienten mit Alzheimer-Demenz nachgewiesen werden.
Es ist davon auszugehen, dass sämtliche Verfahren, welche die Neuroplastizität verbessern, das positive Ergebnis der Stosswelle befördern (z.B. rTMS, EKT, Esketamin, Psychotherapie, bestimmte Medikamente).
Welche Nebenwirkungen können bei der TPS auftreten?
Nebenwirkungen, die auftreten können: Bisher sind nur harmlose Nebenwirkungen bei fachgerechter Anwendung (Beachtung von Indikation und Kontraindikation) beschrieben worden, da die Schallpulse so dosiert sind, dass sie nicht zu einer Gewebeverletzung führen können.
Wann kann die TPS nicht angewendet werden?
In diesen Situationen kann die Behandlung nicht durchgeführt werden: Gerinnungsstörung, Kortisonbehandlung in den letzten 6 Wochen, implantierte intrakranielle Elektroden, Cochlea-Implantat, früher erfolgte Operation am Gehirn, ventrikulo-peritonealer Shunt, Hirntumor, bestimmte Gefässerkrankungen (stärkere Leukencephalopathie, Amyloidangiopathie).
Werden die Kosten von den Krankenkassen übernommen?
Die Kosten der Behandlungen mit Transkranieller Pulsstimulation (TPS) werden von der Grundversicherung nicht übernommen. Sie können jedoch abklären, ob sich Ihre Zusatzversicherung (z.B. für innovative Behandlungen) teilweise an den Kosten beteiligt.
Bei Fragen zu unseren Leistungen und Preisen können Sie uns gerne per Mail kontaktieren.
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